Bubu Jallow, Gambia

Bubu Jallow

Land: Gambia
Funktion: Delegierter

Die Aufgabe

Bubu Jallow reist als eine Art elder statesman nach Paris. Er ist derjenige in der gambischen Delegation, der mit seinem Optimismus und der väterlichem Aura auch dann noch Zuversicht verbreiten muss, wenn die Interessen Gambias im politischen Getümmel der Großmächte kaum noch durchdringen werden. Gambia ist Mitglied in drei Verhandlungsgruppen, deren unterschiedliche Interessen sich wie Matrjoschka-Puppen über die Delegation stülpen.

Es gehört zu den am meisten vom Klimawandel betroffenen Ländern, den LDCs. Es sitzt in der African Group of Neogotiators, zu dem auch der OPEC-Staat Nigeria zählt. Und es ist ein Teil der Gruppe G77, die in einer lang vergangenen Zeit als Gruppe der 77 Entwicklungsländer gegründet wurde und heute Interessen unter einen Hut bringen muss, die bei Gambia beginnen und bei Ländern wie Indien, China oder Brasilien enden. Die Interessen Gambias sind damit auf dem Pariser Parkett kaum noch sicht- und wahrnehmbar. Gambia ist Paradebeispiel für die Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen, aber unter den Folgen am stärksten zu leiden haben. Auf lange Dürren folgen kurze, heftige Regenfälle, die die Äcker zerstören, die Regenzeiten haben sich verschoben. Und sollte der Meeresspiegel um einen Meter steigen, wird die Hauptstadt Banjul verschwinden.

"Die Industrieländer hören einfach nicht zu."Bubu Jallow

Wie schwer es Gambia fällt, mit seinen Forderungen Gehör zu finden, beobachtet Jallow jetzt seit 25 Jahren. Er hat die internationale Klimadiplomatie von beiden Seiten kennengelernt. 1990 begann er als Klimawissenschaftler für den Weltklimarat zu arbeiten. Im „International Panel on Climate Change“ tragen Wissenschaftler aus der ganzen Welt Studien und Erkenntnisse zusammen und geben ihre Handlungsempfehlungen an die Politik weiter.

 

Die schiere Kraft des Faktischen

Bei der COP 2000 in Bonn nahm er zum ersten Mal selbst als Delegierter an einem Klimagipfel bei. Seitdem hat er unzählige Male erlebt, wie seine Forderungen verhallt sind. „Die Industriestaaten hören einfach nicht zu, wenn wir über die Auswirkungen des Klimagipfel sprechen. Und das gilt inzwischen auch für die Schwellenländer“, sagt Jallow – und lächelt dabei. Was ihn noch daran glauben lässt, dass die CO2-Schwergewichte diesmal einlenken werden, ist die schiere Kraft des Faktischen: Das, wovon die Wissenschaft zu Beginn von Jallows Klimakarriere nur gesprochen hat, wird nun wahr. In seinem Heimatland verschiebt der Klimawandel die Regenzeiten, Dürren wechseln sich ab mit extremen Unwettern. Auch in den Industriestaaten sind die Auswirkungen bereits spürbar, wenn auch noch nicht so drastisch, dass das Überleben eines Volkes davon abhinge. Davor kann niemand mehr die Augen verschließen. Die Frage ist nur noch, ob man davor die Ohren verschließen kann.

Die Situation zuhause

Gambia ist eines der ärmsten Länder der Welt. Im Wohlstandsindex der UN belegt es Rang 172 von 187. Es ist fast vollständig vom Senegal eingeschlossen und hat nur einen kleinen Meerzugang. Rund 80 Prozent der Einwohner leben auf dem Land und von der Landwirtschaft, es gibt keine Bodenschätze. Selbst für die Klimakonferenz hat das Land nur wenig eigene Mittel. Berater der Bundesregierung, aber auch von NGOs haben mit dem gambischen Umweltministerium die Zielvorgaben und Statements für Paris vorbereitet. Das Land legt eine der ambitioniertesten Selbstverpflichtungen vor: Obwohl die CO2-Emissionen ohnehin sehr niedrig sind, will Gambia seine Emissionen bis 2030 um 45 Prozent senken, vor allem durch Aufforstung. Es will mit gutem Beispiel voran gehen – und fordert im Gegenzug, dass die Industrieländer das Land mit Geld und Know-How im Kampf gegen den Klimawandel unterstützen.

Fazit

Gambia gehört zu den Ländern, die am dringendsten auf ein neues Abkommen angewiesen sind, aber am wenigsten Macht haben, es durchzusetzen. „Die Regierungen haben nur ein Kurzzeitgedächtnis“, sagt Jallow. „Seit 100 Jahren sprechen Wissenschaftler über die Folgen des Klimawandels, doch trotzdem sind die Emissionen stetig gestiegen.“ Unter anderem daran, wie Jallow am Ende der zwei Wochen das Verhandlungsziel bewerten wird, wird sich ablesen lassen, ob es der Weltgemeinschaft wirklich ernst ist damit, die Schwächsten im Kampf gegen den Klimawandel nicht allein zu lassen.

 

Kai Schächtele
Recherche: Annika Joeres, CORRECT!V

Erklärtes Verhandlungsziel:

substantielle Zusagen aller Länder, die Treibhausgase ausstoßen

Problem:

Die Interessen Gambias werden in Paris kaum gehört werden.

Bevölkerung aktuell:

1,9 Millionen

Bevölkerungsentwicklung bis 2050:

+38 Prozent

Wirtschaftsleistung pro Kopf:

394 US-Dollar

Wichtigste Industrie:

Landwirtschaft

Rang im Wohlstandsindex der UN:

Platz 172

CO2-Fußabdruck:

0,156 Tonnen pro Kopf

Rang im Weltklimaindex von Germanwatch:

nicht gelistet (es sind nur die 61 größten Emittenten aufgeführt)

Die anderen Insider
  • Stellvertretende Delegationsleiterin Deutschland
  • Ilka Wagner
  • Deutschland
  • Stellv. Delegations­leiterin
Mehr zu:
Bubu Jallow

Welt-Klimakonferenz, Dezember 2015: Zwei Wochen lang ringen Delegierte aus 195 Staaten um einen Kompromiss. Es geht um Stürme und Dürren, Kohle und Öl und um sehr viel Geld. Alle sagen, sie wollen ein gemeinsames Abkommen erreichen. Doch jeder kämpft mit Verve für die Interessen seines eigenen Landes. Wie soll da eine Einigung gelingen? Das Paris-Protokoll hat sieben Delegierte und Berater begleitet, vom ersten Tag bis zur Entscheidung. Zur Übersicht

Der 21. Klimagipfel ist Geschichte. Was bleibt, ist ein Abkommen, um dessen Konsequenzen auf den folgenden Konferenzen erbittert gestritten werden wird. Und eine 30-minütige TV-Reportage, die von den zwei Wochen derjenigen erzählt, die wir begleitet haben.

Bei den Verhandlungen in Paris geht es auch um viel Geld. Eine der wichtigsten Streitfragen ist die Finanzierung von Hilfen für die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder. 100 Milliarden Dollar sollen dafür ab 2020 von den reichen Ländern mobilisiert werden. Doch es steht noch immer nicht fest, unter welchen Bedingungen das geschehen soll – und was Mobilisierung eigentlich bedeutet.