Oleg Shamanov, Russland

Oleg Shamanov

Land: Russland
Funktion: Delegationsleiter

 

Die Aufgabe

Shamanov kennt alle Tricks auf dem UN-Parkett. Bei den Verhandlungen ist er in der Regel der, der mit Hinweisen zu Verfahrens- und Formfragen den Prozess in seinem Sinne zu beeinflussen versucht. Vor zwei Jahren etwa legte er die ganze Konferenz lahm. Begründung: „Du kannst nicht fahren, bevor du einen Führerschein hast.“ Wenn Shamanov im Plenum sitzt, kann es schon einmal vorkommen, dass er den Bericht aus einer Arbeitsgruppe, es habe gute Fortschritte gegeben, mit den Worten zurückweist: „Ich protestiere: Es hat überhaupt keine Fortschritte gegeben.“ Shamanov reizt die diplomatischen Gepflogenheiten auf einem solchen Parkett bis zu ihren Grenzen aus. Und wenn die Delegierten, die ihn schon kennen, anfangen zu lachen, reagiert er mit sibirischer Kälte: „Das ist kein Spaß, sondern eine sehr ernste Situation.“ Shamanov gehört zu den Schwergewichten auf dem Verhandlungsparkett.

"Wir verhandeln hier einen Vertrag vom Rang eines Gesetzes. Emotionen haben
da nichts verloren."Oleg Shamanov

Trotz seines vergleichsweise jungen Alters von 55 Jahren ist Shamanov ein alter Hase in der internationalen Klimapolitik. Er saß schon beim Erdgipfel 1992 in Rio, als Abgesandter des russischen Außenministers. Shamanov ist ausgebildeter Jurist, der sein Sakko gern mit Einstecktuch trägt. Wenn er spricht, lässt er über seine Stirn genauso gern Falten laufen. Die Verhandlungen seien eine ernste Sache, sagt er, bei der Emotionen nichts verloren hätten. „Wir müssen uns mit dem Text befassen und sehen, welche Positionen es gibt und welche Formulierungen für alle Parteien akzeptabel sind.“ Über die Formulierung, er sei ein alter Hase (nein), streitet er mit deshalb mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie darüber, ob Russland mit einem erfolgreichen Pariser Abkommen einen Teil der Öl- und Gasreserven im Boden würde lassen müssen (ebenfalls nein). „Erfahrener Hase“ – das ist die einzige, mit der er sich nach einer längeren Debatte einverstanden erklärt.

Die Situation zuhause

Shamanovs Haltung ist keine Überraschung: Russland ist so einseitig von seinen klimaschädlichen Erdgas-und Ölförderungen abhängig, dass es nur zu wenigen Zugeständnissen bereit sein wird. Nichts ist für das Land so wichtig wie die Energiewirtschaft. Pro Tag verdient Russland damit rund 700 Millionen Euro. Der Staat verfügt über 27 Prozent der weltweiten Erdgasreserven. Russland hat angekündigt, seine Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren. Das Land legt aber Wert darauf, dass es in Paris nicht allein um Emissionen aus fossilen Energien geht. „Die Leute glauben immer, es gehe bei diesem Vertrag nur um CO2“, sagt Shamanov. „Aber das ist nicht wahr. Der Vertrag hat die Aufgabe, die Last des Klimawandels abzumildern. Und es gibt viele Wege, dies zu erreichen.“ In den Selbstverpflichtungen, die Russland im Vorfeld beim UNFCCC-Sekretariat eingereicht hat, sind deshalb gleich auf der zweiten Seite oben die insgesamt sieben Gase aufgeführt, die dem Klima schaden, darunter auch Methan, das bei der industriellen Viehzucht entsteht, oder ein Gas namens Perfluorkohlenstoff.

 

Russland ist eine Mittelmacht

Politisch versteht sich Russland als Mittler zwischen Europa und Asien und möchte als Großmacht in Paris auftreten. In Wahrheit aber ist Russland eher eine Mittelmacht – das deutsche Außenhandelsvolumen etwa ist viermal so groß. Dennoch wird es ohne den viertgrößten CO2-Emittenten der Erde kein sinnvolles Paris-Abkommen geben können – und Europas Abhängigkeit von russischen Gasexporten wird auch die Verhandler der EU zu Zugeständnissen zwingen.

Fazit

Russland gehört zu den Ländern, die ihre Wirtschaft komplett umbauen müssten, wenn etwa die Forderung der G7-Staaten nach einer dekarbonisierten Weltwirtschaft ab Mitte dieses Jahrhunderts wahr werden würde. Russland gilt deshalb als das schwarze Schaf bei den Verhandlungen. Shamanov macht allerdings nicht den Eindruck, als trage er schwer an diesem Mandat. Im Gegenteil: Er gefällt sich in der Rolle dessen, der seine Kollegen kontinuierlich ermahnt, die Aufgabe genauso ernst zu nehmen wie er, auch wenn sie für das exakte Gegenteil seiner Positionen kämpfen. „Wir verhandeln hier einen Vertrag vom Rang eines Gesetzes. Emotionen haben da nichts verloren.“

Kai Schächtele
Recherche: Annika Joeres, CORRECT!V

Erklärtes Verhandlungsziel:

ein völkerrechtlich verbindliches, robustes Abkommen

Problem:

Russland gehört zu den am stärksten betroffenen Ländern, wenn die Forderung einer Weltwirtschaft ohne CO2 ab Mitte des Jahrhunderts wahr werden würde

Bevölkerung aktuell:

143,0 Millionen

Bevölkerungsentwicklung 2050:

-16,1 Prozent

Wirtschaftsleistung pro Kopf:

14 611 US-Dollar

Wichtigste Industrien:

Erdöl, Erdgas

Rang im Wohlstandsindex der UN:

Platz 57

CO2-Fußabdruck:

12,6 Tonnen pro Kopf und Jahr

Rang im Weltklimaindex von Germanwatch:

Platz 56 („Sehr schlechte Performance“)

Die anderen Insider
  • Stellvertretende Delegationsleiterin Deutschland
  • Ilka Wagner
  • Deutschland
  • Stellv. Delegations­leiterin
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Oleg Shamanov ist eine der schillernden Figuren auf dem Verhandlungsparkett. Er hat großes Fachwissen, Spaß am Verbalduell und gibt seinen Gesprächspartnern stets das Gefühl, sich auf sie einzulassen. Allerdings sagt er dabei fast nichts. So versucht der russische Delegationsleiter auch, sein Heimatland vor zu ehrgeizigen Klimaschutz-Zielen zu bewahren. Eine Kurs in Klima-Diplomatie in fünf Lektionen. Mehr lesen